It's still real to me, damn it! Die VICE Wrestling-Kolumne (2024)

Die Meinung anderer kann einem ja eigentlich recht egal sein. Zumindest meistens. Und theoretisch. Nicht ganz egal ist die Meinung der anderen zum Beispiel dann, wenn es sich bei den “anderen” um schwer betrunkene Frauen mit einem Alkohollevel irgendwo zwischen “Haha, ich hab meine Zigarette am falschen Ende angezündet!” und “Keiner liebt mich, ich geh kotzen, Party!” handelt, und ihre “Meinung” darin besteht, dass sie der festen Überzeugung ist, in dir ihren Vergewaltiger von früher wiederzuerkennen.

Diese Situation kommt zum Glück nicht besonders oft vor, aber einmal reicht vollkommen, um einem den Tag zu versauen (oder zumindest das unbeschadete Nachhausekommen vorbei an allen Nichtvergewaltiger-Männern, die der Szene im Lokal aufmerksam gelauscht haben, zu erschweren). Wie auch immer: Meinungen können auch dann übel sein, wenn man sich nicht um sie kümmert, ist glaub ich, was ich sagen will. Und: Wenn das Leben bitter zu dir ist, mach Gin Tonic draus und trink so viel, bis du zurückkotzen kannst.

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Der Typ, um den es bei unserem heutigen Mugshot-Match geht, hat das schon längst verstanden. Vielleicht auch, weil er auf gewisse Art schon beides war – also die Traumatrinkerin und der Beschuldigte.

Es geht um Kevin Nash, alias Diesel, Big Daddy Cool, Big Sexy, Vinnie Vegas oder The Grand Wizard of Oz (fragt nicht). Und selbst, wenn ihr in den Neunzigerjahren nur an euch herumgespielt und deshalb keine Zeit für Wrestling gehabt haben solltet, kennt ihr Kevin Nash ziemlich sicher trotzdem. Ich erklär’s euch später.

Jetzt aber los, ding-ding-ding!

Während Kevin Nash als Vinnie Vegas noch aussah, als würde er in alte Autoreifen kacken und diese dann vor deiner Türe anzünden, machte er als gepimpter Diesel schon den Eindruck, als könnte er sich inzwischen vier bis acht neuwertige Reifen unterm Hintern leisten – nur um mit seinem Truck zu deinem Haus zu fahren und dann alte, angekackte Autoreifen vor deiner Türe anzuzünden. Egal, was für eine Rolle sie ihm auch auf den riesigen Bauch pinselten, Nash war nie einer von den Guten, was bestimmt auch daran liegt, dass er wie jemand aussieht, der seinen Proletenpenis zu einem Schaschlick-Spieß für Wasserstoffblondinen umfunktioniert hat und zu “Parfüm” flapsig “Puffbenzin” sagt.

Das Trash-und-Trucker-Image wurde auch von seiner Einzugsmusik unterstrichen, die aus bösen Motorengeräuschen und Mundharmonikaklängen direkt aus dem Vorspann von Roseanne bestand. Mal ganz abgesehen davon, dass sein Name D-I-E-S-E-L war. Wem das nicht genug Zaunpfahl im Augapfel ist, der lässt sich vielleicht von Diesels Einzugsvideo überzeugen, das mit einem gewaltigen Truck anfängt, der die Kamera auf seinem Weg durch Suburbia überrollt, oder aber er nimmt sich Nashs Lederkluft und Vokuhila zum Anlass, um seine Skepsis noch mal zu überdenken.

Diesel war ein stahlharter Vollblut-Trucker und sonst gar nichts, verdammt noch mal. Naja, und Shawn Michaels’ Bodyguard natürlich. Über zwei Jahre lang waren die beiden unzertrennlich und klebten definitiv mehr aneinander als zwei buttpl*g-Brüder. Schließlich war Michaels auch im echten Leben eng mit Nash befreundet und der Hauptgrund, warum dieser überhaupt vom Konkurrenten WCW zur damaligen WWF wechselte. Sehr viel mehr gibt es zu Diesel dann eigentlich auch nicht mehr zu sagen; er hatte ein paar Fehden gegen Größen wie Bret Hart und den Undertaker, kämpfte regelmäßig gegen seine Reallife-Buddies Shawn Michaels und Razor Ramon (bevor er mit zweiterem abermals in Richtung WCW aufbrach, um dort die Invasion der New World Order zu starten) und hielt neben dem Tag Team- sogar einmal den WWF-Championtitel (den er sich in einem unrühmlichen 8-Sekunden-Match gegen Altherren-Legende Bob Backlund holen durfte, das sogar Kevin Nash heute noch unangenehm ist).

Kevin Nash hingegen hat da schon mehr Schichten zu bieten. Zwar ist er sicher nicht das totale Gegenteil seiner Heldenfigur und sagt wahrscheinlich auch “Puffbenzin”, aber abgesehen davon, dass er eine leisere Motorenversion von Diesel ist, hat Nash doch mindestens drei Vorzüge zu bieten, die in der Wrestling-Welt selten sind:

1. ALTERSKNUFFIGKEIT

Während andere Wrestler Hängetitten, Blumenkohlohren und verdammt viel überschüssige Haut rund um ihre Knasttattoos entwickeln, ist Kevin Nash im Alter nur eine Wampe aus Knuffigkeit gewachsen. Und eine Wampe aus Fett, aber ich habe mal gehört, dass das jenseits der 50 so sein muss, wenn man dann noch als Mann gelten will. Jedenfalls ist sein ergrautes Haupthaar das obere Ende einer zuckersüß glasierten Opa-Zone mit zwei lächelnden Knopfaugen und einem total witzigen Mund, der absolut jedem Interviewer-Noob mit Wohlwollen begegnet. Abgerundet wird der Candy-Nash von einem Bärtchen, das noch dazu Trendsensibilität ausstrahlt. Den einzig noch cooleren Opa hat wohl meine Freundin, die ihm regelmäßig Fragen stellt wie: “Und Opa, hast du schon Sopranos fertig geschaut?” und der sich jede Woche bei Burger King von derselben netten Thailänderin einen Whopper holen geht.

2. hom*oPHOBIEPHOBIE

Also das ist im Wrestling wirklich, wirklich selten. Wie alle Formen von Sport, bei denen sich Männereier alarmierend nahekommen und die Athleten gemeinsam unter die Dusche gehen, hat auch Wrestling einen seltsamen Umgang mit der Art von Sex, bei der kein Lulu in eine Mumu gesteckt wird. Seit jeher schrammt Wrestling an dieser feinen Linie zwischen hom*oerotik und Heteronormatismus entlang, die man eigentlich nur sehen kann, wenn man panische Angst vor allem Analen hat. Und weil es als Fakesport gleichzeitig selbst am Allerschwulsten ist, führt das dann zu recht seltsamen Erscheinungen, wie zum Beispiel harten Kerlen, die Federboas tragen. Im gesamten Stall der WWE gibt es nur einen bekennend schwulen Ex-Wrestler, nämlich Pat Patterson, der 1979 zum ersten Intercontinental Champion der Welt gekürt wurde (nachdem er angeblich ein Turnier in Rio de Janeiro gewonnen hatte, für dessen Existenz es bis heute keinen Beweis gibt). Dass Pat Patterson zur alten Riege gehört und Taufpate von Stephanie McMahon ist, lässt ein bisschen erahnen, welchen Status man für so ein Bekenntnis im Wrestling-Biz benötigt.

Kevin Nash hingegen mag zwar “Puffbenzin” sagen und Blondinen aufspießen, als gäbe es morgen kein Grillgut mehr, aber er ist auch einer der sehr, sehr wenigen, die sich immer wieder ganz klar gegen hom*ophobie aussprechen, so auch in diesem Interview. Ein besseres Anti-Schwulenhass-Testimonial könnte sich die Wrestling-Welt nicht mal erkaufen.

3. WIDERSPRÜCHLICHKEIT BIS INS MARK

Das klingt auf den ersten Blick vielleicht wie das Einstellungskriterium im Wrestling-Business schlechthin, ist aber in Wahrheit doch viel seltener als man glaubt. Früher oder später erliegen die alten Hasen nämlich normalerweise alle ihrem eigenen Hype und mutieren zu heulenden Egomanen, die ganz allein für den Erfolg von Wrestlemania oder vergleichbaren Medienwundern verantwortlich sein wollen. Das steht vielleicht im Widerspruch zu so Konzepten wie Vernunft, ist in sich aber allglatt durchrationalisiert und bei vielen in die eigenen Steinschädel gemeißelt. Kevin Nash ist da ein bisschen anders. Er weiß, was er der Wrestling-Welt seinerzeit wert war und wie viel Geld er damit gemacht hat, aber andererseits ist er auch wieder bescheiden. Er ist mild und respektvoll, aber andererseits beleidigt er tote Kollegen. Er ist ein Bully und ein Platzhirsch und ein Angeber, aber andererseits weiß er auch, dass es immer nur ums Business geht und man Vince McMahon die Füße küssen muss.

Erst kürzlich erschien dieses Interview mit dem “kontroversen Wrestling-Star”, in dem er ein bisschen wie Opa Hogan oder der Ignorant Warrior daherkommt und einfach mal so behauptet, die Höhenflüge von Chris Benoit und Eddie Guerrero (beide verstorben und beide Techniker im Gegensatz zu Kraftprotz Nash) hätten den Untergang des Wrestling-Business herbeigeführt. Wahrscheinlich nicht der ruhmreichste Luftschwall, der je aus seinem Mund entweichen durfte. Der Krieg wurde dann auf Twitter mit Wrestling-Kollegen Chris Jericho ausgetragen:

Bam! Alles nicht besonders erwachsen, aber das ist schließlich auch Twitter und nicht der Harvard-Debattierclub (wobei wir bitte nie, nie, nie vergessen sollten, dass auch ein gewisser George Walker Bush die Harvard Business School und die Yale University zu seinen Alma Maters zählen darf). Damit will ich nicht sagen, dass ihn dieses Hinundher sympathischer macht; vermutlich ist Nash nicht unbedingt der Typ, mit dem man sich am Arbeitsplatz messen will, weil er zu der Art von Menschen gehört, die immer netzwerken und intrigieren. Und vermutlich ist er auch nur dann wirklich nett und knuffig, wenn man wie das geeignete Grillfleisch für seinen hungrigen Metallspieß aussieht. Aber das alles trägt nur dazu bei, dass man ihn einfach seinem Wrestling-Gimmick vorziehen muss. Immerhin ist Diesel im Vergleich nicht viel mehr als Auspuffgas. Und im Meinungswirrwarr des großen WWE-Intrigantenstadls ist Kevin Nash allein schon als Politikum interessanter als jeder Move, den Diesel je versaut hat.

Für alle, denen das noch nicht reicht, hab ich sogar noch einen vierten Bonuspunkt, und zwar:

4. FILME. VIELE FILME.

Ganz recht. Erst im letzten Jahr war Nash als ergrauter Sergeant im Wrestling-Trash-Spektakel Monster Brawl zu sehen, das auch beim letzten Slash Filmfestival lief und in einer postapokalyptischen Welt angesiedelt ist, wo Wrestling-Turniere zwischen mythologischen Figuren irgendwie zum hinterwäldlerischen Sumpf-Alltag gehören. Das Ganze ist eigentlich weniger ein Film als eine schlampig geschnitte Wrestling-Show ohne Publikum, macht aber trotzdem Spaß, wenn man ihn mit Bier und anderen Menschen schaut – hier findet ihr meine damalige Rezension auf der alten Viceland-Seite zum Nachlesen. Monster Brawl ist kürzlich auf Blu-ray erschienen und derzeit ganz groß in den LIBRO-Charts, glaub ich.

Außerdem war es Kevin Nash und nicht Diesel (oder Vinnie Vegas oder Oz oder Big Sexy), der 1991 bei Teenage Mutant Ninja Turtles II: The Secret of the Ooze den sensationellen Super Shredder spielte – und das ist nur einer von insgesamt 13 Filmen, in denen er ohne fremden Männerschweiß im Gesicht so etwas ähnliches wie schauspielerte.

Auch, wenn ihr Wrestling bisher verpasst habt (warum auch immer ihr dann das hier lesen solltet, aber ich will euch ja nicht dreinreden), Turtles hat hoffentlich jeder gesehen, also kennt auch jeder Kevin Nash. Irgendwie. Das ist zwar nicht immer ein automatisches Winning, aber in diesem Fall schon. Wer mitgeschrieben hat, müsste auf der Diesel-Seite jetzt einen Strich für “Klarheit des Charakters” und auf der Nash-Seite zirka 17 Striche für “Historischen Mehrwert” stehen haben.

Deshalb das Ergebnis:

Der Mugshot ist übrigens entstanden, nachdem Kevin Nash eine kleine Auseinandersetzung mit einem Betrunkenen vor einer Bar hatte. Der Mann hatte seine Frau angesprochen und wollte sich nicht so gerne verpissen, wie Kevin Nash wollte, dass er sich verpisst. Stattdessen ging er (laut Nash) mit einer abgebrochenen Flasche auf den Wrestler los und der setzte sich zur Wehr. Die Anzeige wegen Körperverletzung wurde später fallengelassen.

Das Ganze war aber doch für etwas gut: Nash hat seit jeher mit seinen 7 Fuß – also 2,13 Meter – Körpergröße angegeben. Die Mugshot-Messlatte der Polizei von Florida gibt ihm da jetzt scheinbar recht. Nach der Verhaftung gab Nash gegenüber TMZ übrigens folgenden Kommentar ab: “I’m a 52-year-old fake-fighter. My hands aren’t deadly weapons.” Und auf Twitter sagte er, der Typ mit den Tattoos wird sowieso immer verhaftet. Der Rest ist für die Hater. Mahalo!

M E H R R E U D I G E S R A S S L I N G:

Mugshots Matches, Teil 1: Andre The GiantMugshot Matches, Teil 2: Jeff “Pardy” Hardy Mugshot Matches, Teil 3: Ric The Nature Boy Flair

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